Das Dauerthema Orte und Plätze für Jugendliche im öffentlichen Raum beschäftigt das Kinder & Jugendbüro schon seit Jahren.
Speziell in den Sommermonaten treffen sich Jugendliche auch außerhalb der so genannten organisierten Räume an verschiedenen Plätzen in Steinen.
Einige dieser Orte (Skaterplatz, Bolzplätze) sind speziell als Jugendplätze ausgewiesen, die Meisten jedoch sind selbst gewählt und werden aus unterschiedlichen Gründen von den Jugendlichen als Treffpunkte bevorzugt.
Häufig kommt es hier dann fast zwangsläufig zu Konflikten mit Anwohnern und der Öffentlichkeit.
Jugendliche sind ein Teil unserer Gesellschaft und halten sich somit auch im öffentlichen Raum auf.
Die Gesellschaft selbst verdrängt Jugend oft, in dem nur wenige Räume für Jugendliche zur Verfügung stehen.
Meist werden sie lediglich geduldet, bzw. als störend empfunden und offiziell vertrieben.
Das Kinder & Jugendbüro setzt sich dafür ein, dass Jugendlichen aber auch umgekehrt Erwachsenen mehr gegenseitiger Respekt entgegengebracht wird und bei Problemen ein Dialog zwischen den Generationen stattfindet und kein Verdrängungsprozess.


Ist Steinen ein Ort für Kinder und Jugendliche?

Auch außerhalb der so genannten organisierten Räume (Juz, Schule, Vereinsräume, usw.) treffen sich Kinder und Jugendliche an den verschiedensten Plätzen in Steinen.
Einige sind speziell als Jugendplätze ausgewiesen, die Meisten jedoch sind selbst gewählt und werden aus unterschiedlichen Gründen als Treffpunkt bevorzugt.
Warum treffen sie sich gerade hier?
Welche Möglichkeiten bietet der Treffpunkt?
Gibt es Probleme, und warum?
Entsprechen die vorgesehenen Jugendplätze, Grillplätze, Sportstätten,
Spielplätze usw. den Anforderungen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen?
An dieser Stelle wollen wir versuchen die verschieden Treffpunkte von Kindern und Jugendlichen aus Steinen vorzustellen. Mit dem „Projekt Treffpunkte-Test" wollen wir versuchen uns kritisch mit den Gegebenheiten vor Ort auseinander zu setzen.


Zur Situation Jugendlicher auf offenen Plätzen in Steinen

Versuch einer Deutung

Nun sind Sie da:

Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren in der Hauptsache. Ausgestattet von der Gesellschaft mit viel Freizeit und wenig planbarer Perspektive. Sie treffen sich an den Drehscheiben von Steinen, im Ortskern, dem Schulgelände, Bahnhofsvorplatz, den Freizeitanlagen, an Bushaltestellen und Parkbänken; häufig zentral gelegen mit viel Raum für Aktionen.

Diese Jüngeren ausgangs der Hauptschule, oft nur schwer gelitten von Eltern, Schule, Öffentlichkeit, auf der Suche nach einer Identität, brauchen die Gleichaltrigengruppe als Nährboden für ihr soziales und emotionales Wachsen.

Sie mögen sich untereinander, wenn man gemeinsam über die institutionellen Kontrolleure herfallen kann (so auch Gemeinderäte und Bürgermeister; in erster Linie aber die Polizei als regelmäßiger Begleiter ihrer Freizeit) und von den Selbstbehauptungstaten berichten (mit frisierten Mofas durchkommen); hassen sich aber auch mal schnell für die vielen gegenseitigen Vorwürfe, die diskriminierenden Beschimpfungen und die rüden Umgangsformen.

Ihr ganzes pralles Leben spielt sich für einige Monate oder 2 bis 3 Jahre - je nach Einflüssen und Hintergrund - in einer diesen losen Gruppen ab, die nie bewusst gesucht oder gegründet werden; die einfach da sind und so etwas wie Heimat und Orientierung bieten.

Diese Gruppen (häufig pendeln die Jugendlichen auch zwischen verschiedenen) entwickeln Treffpunkte. Meist Orte mit wenig Erwachsenenkontrolle aber gut erreichbar mit zentraler Lage. Dort spielt sich dieses, subjektiv als prall und dynamisch erlebte Leben ab; und dort entwickelt sich dann auch die Auseinandersetzung zwischen den Generationen - ein Spiel, welches die Regeln des Verhältnisses zwischen Kindern und Eltern in der Ablösezeit ersetzt durch Gruppenauseinandersetzungen und der Konfliktlinie JUNG - ALT.
Dazwischen geschaltet heute oft, die so genannten Gesellschaftsagenturen: Polizei, Verwaltung, Jugendpfleger.
Die wachsende Anonymität setzt sich auch im Generationskonflikt fort.

Die Handlungen der jeweiligen Clique werden primär als Provokation erlebt. Die Bewertung erfolgt in der Regel ausschließlich aus dem eigenen Blickwinkel. Zu Wort melden sich häufig nur diejenigen, die sich gestört fühlen. Hilflosigkeit und / oder Abscheu vor den Erscheinungen führt zum Wunsch nach Beseitigung. "Aus den Augen - aus dem Sinn" wird zum Maßstab des Handelns.
"Der Zaun, das Verbotsschild" - Abtrennung und Schutz zur Lösung des Übels.

Was wird als Provokation erlebt?

Bierflaschen, Scherben, Müll, die Füße auf der Bank, der zerstörte Zaun.....

All dies deutet auf Alkoholexzesse, Trunkenheit, Unkontrolliertheit, Verwahrlosung und Rowdytum hin.
In einem anderen Zusammenhang ist die Höhe des Bierumsatzes die positive Schlagzeile eines Berichtes über ein Dorffest und die allgemeine Bereitschaft zum Alkoholkonsum die wirtschaftliche Grundlage vieler Vereine. Im Gegensatz zu den Jugendlichen ist die Alkoholismusfassade bei den Erwachsenen perfekt, Gewalt spielt sich privat ab oder sucht sich dezente Spielarten wie bspw. psychischer Terror.

Das Geknatter der Mofas und das gefährliche und gefährdende Manövrieren....

Unser gesellschaftlicher Reichtum baut auf der Technik und im besonderen auf der Automobilindustrie auf und dies ist nicht veränderbar - so zumindest die Meinung der meisten gesellschaftlichen bedeutsamen Gruppen.

Verboten ist nicht der Verkauf von immer neuen technischen Errungenschaften, sondern nur die Benutzerpraxis wird reglementiert. So werden die neuen Medien uns fast zwangsweise aufgenötigt und Bedürfnisse über Verkaufsstrategien erst mal entwickelt, bevor der Jugendschutz pädagogisch handeln soll.

Mofas werden ab 14 Jahren verkauft, die Geschwindigkeit gedrosselt. Dabei sind wir gesellschaftlich nicht in der Lage bestimmte vernünftige Regelungen einzuführen, wenn sie dem Interesse einer einflussreichen Gruppe widersprechen und andere einzuhalten. Der millionenfache Regelverstoß ist Tatsache.
Jugend, von der es einmal hieß, sie sei die jeweilige Zukunft und erprobe sich spielerisch an der Realität, kann nicht vernünftiger handeln als die herrschende Erwachsenenwelt. Dies widerspräche jeglichem Wissen über Persönlichkeitsentwicklung. Die Regelverstöße Jugendlicher sind aber eher ein schwaches Glied, wenn es um den Grundkonflikt zwischen individuellen Bedürfnissen und ihrer Durchsetzung auf der einen und gesellschaftliche Rücksichtnahme auf der anderen Seite geht.
Jugendliche handeln den Regelverstoß auffälliger und demonstrativer. Und sie verfügen in der Regel nicht über die ökonomischen Möglichkeiten für den "Ablass". Geldbesorgungen dafür und für die Realisierung von Konsumwünschen spielen daher im jugendlichen Denken mit eine zentrale Rolle.

Laute Musik, lautes Gejohle, freches Auftreten, öffentliches Tanzen und Rauchen, die Reihe von unliebsamen Erscheinungen lässt sich einfach fortsetzen.

Unsere Gesellschaft lebt generell vom "MEHR".
Höher, weiter, größer, stärker, lauter, besser die Steigerungsformeln begleiten das Kind auf seinem Weg in unsere Konsumgesellschaft. Oftmals ist das Konsumangebot für das Kind Ersatz für primäre Bedürfnisse nach Zuwendung und Zeit, die fehlen.
An diesem Wettlauf nach dem "MEHR" sind wir alle in irgendeiner Form beteiligt, denn der Steigerungsbedarf steckt in uns.
In einer von den Medien bestimmten Gesellschaft, die den Wunsch nach dem "MEHR u. BESSER" dem Einzelnen tagtäglich einhämmern, sollen Kinder und Jugendliche gleichzeitig unseren hehren Wünschen nach dem "einfachen und reinen Leben" folgen.
Dabei sind der Walkman mit 90 db für unterwegs, der Verstärker mit 200 Watt Leistung, Markenklamotten und das Handy diejenigen Maßstäbe, die zählen. Verkauft werden die Geräte von Erwachsenen im Interesse einer auf Wachstum aufgebauten Verschwendungswirtschaft.
Jugendliche handeln auch hier konsequent auf den Spuren der "Alten" auch wenn sie später, ebenso wie diese, dies nicht mehr richtig wahrhaben wollen.

Jugendliche fallen nun mal auch dann auf, wenn es nicht gerade gesellschaftlich akzeptierte Gelegenheiten sind (Festivitäten, Fasnacht, Fußballplatz, private Räume).
Damit sind sie Erwachsenen ein Dorn im Auge. Dies ist an sich nichts Neues. Und dass sich die Erscheinungsformen geändert haben , lässt sich nicht vermeiden.

Sonst würde man ja nicht auffallen.

Es gibt keine Steinener Besonderheiten im Erscheinungsbild der Jugendcliquen im Alter von 12 - 16 Jahren.
Es gibt nur einige Daten, die z.T. zufällig, z.T. gewünscht, die Szenerie etwas dichter gestalten, als in vergleichbaren Orten (kein Vergleich natürlich zu den Szenen mancher Stadtquartiere).
Steinen ist Sitz eines Schulzentrums. Die Jugendlichen kennen sich, wollen sich treffen . Man kann nicht die Kinder am Morgen zusammenkarren und am Nachmittag existiert diese Schicksalsgemeinschaft nicht mehr.

Steinen liegt zentral für die kleineren Orte im Umfeld auf dem Weg nach Lörrach und Schopfheim.
Steinen erfüllt in dieser Hinsicht sicherlich die Bedingungen eines Kleinzentrums.
Der Bahnhofsplatz z.B. liegt zentral und günstig auch mit Fahrzeugen leicht zugänglich. Viele kommen bei Besorgungen dort vorbei. Die Funktion eines zentralen Platzes ist traditionell gegeben.

Aber: Außer für den täglichen Pendelverkehr, erfüllt das Gelände kaum kommunikative Aufgaben. Nur Jugendliche nutzen dieses Freiraumangebot, ideal für ihre Darstellungsbedürfnisse. Sie sehen und werden gesehen. Tatsächlich schauen auch viele beim Vorbeigehen auf den Platz. Zu sehen gibt es in der Regel Jugendliche beim "Rumhängen". Sie gestalten die Optik.

Weil dies so ist und weil auch viele der Jugendlichen heute bis zum Anschlag verplant sind mit Aktivitäten, treffen sich dort vorrangig Jugendliche, die in einer bestimmten Phase ihres Lebens starke Bedürfnisse nach Cliquenkontakten haben. Diese Bedürfnisse haben zu tun mit Einsamkeitsgefühlen und vielfältigen Verunsicherungen bei persönlichen Fragestellungen (Schule
Beruf, Familie, Freundschaften, Sexualität, Selbstwert).

Der offene Raum (kommen und gehen, wie es einem passt) und die grundsätzliche Unverbindlichkeit ermöglichen den Aufbau neuer tastender Kontakte und lassen auch Versuche mit neuen Rollen zu.
Es ist auch kein Zufall, dass viele der Jugendlichen in dieser losen Clique mit gesellschaftlichen Kontrollinstanzen, wie Jugendamt, Gericht, Polizei zu tun haben oder hatten. Wie bei vielen Dingen liegen die Chancen und Probleme eng beieinander: Die Gruppe kann den Einzelnen stützen, kann ihn aber auch in neue Schwierigkeiten bringen. Verhalten in Gruppen gehorcht in jedem Fall anderen Gesetzen als individuelles Verhalten.

Im Rücken die Anderen, muss man anders handeln, wenn man von Erwachsenen angefragt wird. Die Bewertung durch die Gruppe unterliegt dem Verhaltensvergleich innerhalb der Gruppe.
Eskalationen bei Konflikten zwischen Jugendlichen und Erwachsenen (diese treten nach ihrem subjektiven Empfinden einer Gruppe gegenüber) sind eher wahrscheinlich.

Lose Cliquen dieser Alterskonstellation brauchen einen Raum im weitesten Sinne des Wortes (Aktionsfeld würde man dazu sagen, wenn sich dies nicht gleich wieder in den Ohren eines Erwachsenen gefährlich anhörte).

Der umbaute Raum wird streng genommen nur für den Winter benötigt. Diese Nutzung muss dann organisiert werden.
Die Erfahrung mit diesem Jugendräumen ist eine wesentliche Qualität für die Erfahrung der Jugendlichen. Ordnungsstrukturen müssen diskutiert, Lösungen gesucht werden. Vieles klappt nach Erwachsenenmaßstäben nicht.

Ein Vergleich ist jedoch angebracht: Wenn in einer Schule die Putzfrau sauber macht oder bestimmter Druck (Arbeit, Note) und die Autorität des Lehrers eine wesentliche Rolle für Ordnungsprinzipien spielt, bekommt in einem Jugendtreff der Aspekt "Selbstregulierung" mit allen Schwächen eine wesentliche Bedeutung.
Ansprüche an die Gruppe müssen sich zunächst auf diese Selbstregulierung bestimmter Ordnungsstrukturen beziehen. Weitergehende Ansprüche führen in der Regel zu einem Wegbleiben gerade auch der gefährdeten Jugendlichen.

So wie Jugendliche damit zurecht kommen müssen, ihre aktuelle unsichere Situation (emotional, ökonomisch, sozial) auszuhalten und sich langsam in Neuen zu bewähren, so muss ein Gemeinwesen grundsätzlich die Existenz von Jugendlichen mit nicht genehmen Verhalten akzeptieren.
Ausgrenzung ist keine Alternative, da letztlich gar kein erzieherischer Einfluss mehr möglich ist.

Jugendliche verweisen auf offene Räume, kommerzielle Angebote oder städtische Szenen unterliegen weit gehenderen negativen Einflüssen als im öffentlich wahrnehmbaren und von Cliquen kontrollierten Rahmen.

Helmut Kolibaba
Jugendreferent